Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Freitag, 3. April 2015

Das ist Luxus! Das ist Ostern!

Eigentlich wollten wir morgen Samstag die 50-Kilometer-Marke attackieren; an den letzten Ostern hatten wir es auf 43 Kilometer gebracht. Doch nun habe ich abgesagt und etwas Sanfteres programmiert. Wir werden morgen nur mittelweit wandern und das mit einem feinen Essen kombinieren. Die 50-Kilometer-Sache würde inmitten der Nässe und Kälte ins forciert Infanteristische abkippen.
Generell habe ich ein schönes Osterprogramm:
  • Gestern gab es eine Führung durch Zürich auf den Spuren einstiger Schriftstellerinnen.
  • Heute steht die Familie auf dem Programm mit einem Fischessen im Thurgau.
  • Morgen, wie gesagt, die übliche Samstagswanderung. Wir ziehen durchs Zürcher Unterland und steigen wohl auch auf den Irchel.
  • Am Sonntag will ich ein sehr makabres Museum besuchen; das soll einen eigenen Eintrag setzen.
  • Montag? Ha, der Reservetag zur freien Verfügung! Das ist Luxus. Das ist Ostern. Ich liebe den christlichen Kalender.
 PS. Gestern war von mir ein Artikel im Tagi über eine Tafel am Grossmünster. Hier die Tafel.
Leider gibt es den Artikel nicht online. Wer ihn lesen will, hier ist er:
Zürich und die Rettung der Rudersklaven
Die Tafel am Grossmünster ist unscheinbar, die Geschichte dahinter spektakulär: Protestantische Prediger in Ungarn werden 1675 nach Neapel verschachert. Die protestantische Welt sammelt Geld und kauft sie von den Galeeren frei – in Zürich päppelt man sie wieder auf.
Thomas Widmer
Zürich – Linkerhand des Grossmünster-Haupteinganges ist eine Tafel montiert, bräunliches Messing, Grossbuchstaben im Relief. Grossmünsterpfarrer Chris­toph Sigrist freut sich, als man ihn auf die Tafel anspricht: «Schön, dass einer mehr über sie wissen will.»
Die Tafel habe ihn vor zwölf Jahren inspiriert, als er sein Pfarramt in Zürich antrat, sagt Sigrist. Sie passe gut zum Grossmünster und dessen «weltweiter Freundschaft mit reformierten Brüdern und Schwestern».
Die Inschrift auf der Tafel lautet: «In dankbarer Erinnerung an die Aufnahme von 30 von den Galeeren befreiten ungarischen protestantischen Predigern und ihren Aufenthalt in Zürich 1676– 1677.» Unterschrift: «die ungarische Gemeinde in Zürich 1977».
Die Dekade der Trauer
Von den Galeeren befreit? Die Geschichte, zu der Pfarrer Sigrist einige Information beibringt, wäre Stoff genug für einen Film. Es geht um Widerstand und Tod, Verzweiflung und Rettung.
Die Sache beginnt im habsburgisch dominierten Ungarn des 17. Jahrhunderts damit, dass im Widerstreit der Konfessionen die Katholiken in die Offensive gehen. Jesuiten und Franziskaner, die Berater von Kaiser Leopold I., signalisieren diesem: Wenn die protestantischen Pfarrer erst einmal aus dem Weg geräumt sind, wird das Volk einfach zum Katholizismus zurückzuführen sein.
1671 beginnt eine Phase der Repression, die man später «Dekade der Trauer» nennen wird. Ein Sondergericht entsteht, das schubweise protestantische kirchliche Lehrer und Pfarrer vorlädt. Man klagt sie an wegen Hochverrats, Verleumdung der heiligen Kirche, Kooperation mit den Türken; jene sind damals der grosse Feind des Abendlandes. Den Verurteilten droht die Todes­strafe, wenn sie nicht eine von drei Bedingungen akzeptieren: Sie wandern aus. Sie geben ihren Beruf auf. Oder sie treten zum Katholizismus über.
1674 läuft ein solcher Prozess in Bratislava, zu Deutsch Pressburg, damals Hauptstadt des königlichen Ungarn. Die Zahlen variieren je nach Quelle ein wenig. Einige 100 Leute müssen antreten. Um die 90 bleiben standhaft und werden zum Tod verurteilt. Die Strafe wird bald in Festungshaft umgewandelt und später, 1675, in Galeerensklaverei.
Rund 40 dieser Protestanten werden nach Neapel geschafft, damals in spanisch-habsburgischer Hand. Einige sterben unterwegs, die anderen werden für 50 Goldstücke pro Person an Schiffsbesitzer verkauft. Paarweise kettet man sie in den Galeeren fest, nun sind sie Rudersklaven. Ihr Glück ist, dass Europa aufmerkt. Die protestantische Welt empört sich, die Botschafter Hollands und Belgiens schalten sich ein, eine Geldsammlung läuft an.
Schliesslich schafft es der holländische Admiral Michiel de Ruyter im Februar 1676, die geistlichen Ruderer freizukaufen. Ungefähr 30 leben noch. Psalmen sollen sie gesungen haben beim Hören der guten Nachricht. De Ruyter, der sie nach Venedig eskortiert, schreibt: «Von all meinen Siegen hat mir keiner so viel Freude bereitet wie die Errettung dieser unschuldigen Diener Christi von ihrem unerträglichen Joch.»
Spalier für die Befreiten
Die Reise der Freigelasssenen führt über die Alpen nach Zürich, das sich am Freikauf beteiligt hat als eines der grossen Zentren der Reformation. In protestantischen Gegenden stehen die Menschen Spalier und versuchen, die Kleider der wundersam Erretteten zu berühren.
Am Morgen des 9. Mai 1676 treffen diese in Zürich ein und werden auf der Chorherrenstube neben dem Grossmünster, wo heute die Theologische Fakultät untergebracht ist, empfangen und verköstigt. Jeder Pfarrer der Stadt und einige Professoren nehmen je zwei Ungarn auf. Etliche der Gäste bleiben zum vertieften Theologiestudium länger in der Stadt. Andere ziehen mit Reisegeld aus der Kirchenkollekte bald weiter.
Zürichs Beistand für die unterdrückten Protestanten wirkt bis heute nach, die Ungarn seien seither mit Zürich verbunden, sagt Sigrist. Einmal im Jahr feiern Ungarn und Zürcher (mit den Waldensern und der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde) gemeinsam Gottesdienst im Grossmünster. Durchs Jahr hat die ungarische Kirchgemeinde Gastrecht im Kirchgemeindehaus Helferei.
Und die Grossmünster-Gemeinde unterstützt via Heks, das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz, die ungarischen Reformierten, man spendet für die Bibliothek der grössten reformierten Fakultät in Debrecen; im Heks-Stiftungsrat sitzt auch Pfarrer Sigrist.
Auf der Tafel am Zürcher Grossmünster ist auch eine Bibelstelle aufgeführt: 2. Kor. 4,9. Die Stelle lautet: «Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen; wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.»

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen